Literatur

It’s a long story: George R.R. Martin – FIRE & BLOOD

Wir schreiben das Jahr 2020. Es ist ein grauer, verregneter Samstag Nachmittag und dennoch durchströmen mich wohlig warme Glücksgefühle. Ich hab’s geschafft! Eine Reise, die im Jahr 2018 ihren Anfang gefunden hat, ist an diesem Nachmittag zu Ende gegangen. Ich fühle mich wie Arya als sie endlich herausfindet, was westlich von Westeros liegt. Ich habe nämlich gerade die „neuste“ Arbeit ihres Schöpfers zu Ende gelesen – FIRE & BLOOD. Warum bei all den sieben Göttern hat sie jetzt aber ganze 2 Jahre für das Buch gebraucht, fragt Ihr Euch jetzt bestimmt. Nun ja, lasst mich Euch eine Antwort geben…

Was war zuerst da? Der Drache oder das Ei?

Kennt Ihr solche Menschen, die Euch bei Serien und oder Filmen ständig mit dem Satz „na also im Buch war das aber so und so…“ auf den Keks gehen? Genau so einer bin ich! Ich hab sie alle gelesen, die J.R.R. Tolkiens’, die J.K. Rowlings’, die Andrzej Sapkowski’s und und und. Mit der Game of Thrones Buchreihe waren meine Grenzen relativ schnell erreicht, deshalb war es für mich auch eine reine Frage der Nerd-Ehre, als es im Jahr 2018 die Gerüchte gab, es gäbe da bald was Neues von George R.R.Martin. Soll es etwa Winds of Winter sein, fragte sich mein kleines Nerd-Herz, die lang erwartete Fortsetzung in Buchform, an der der liebe George nun gefühlt schon seit 20 Jahren rumbastelt? Die Antwort kam von ihm unerwartet rasch: „Geht mir alles bisschen zu schnell mit so ner Buch-Fortsetzung, aber hey hier habt Ihr erstmal 300 Jahre Vorgeschichte zu Game of Thrones! Das sollte Euch ne Weile hinhalten!“ Und in meinem Fall sollte er Recht behalten. 

Kommen Sie nach Königsmund, es ist sehr schön!

Aegon, der Eroberer – ein Name, der dem aufmerksamen Game of Thrones Gucker und Leser öfter mal über den Weg läuft. Schließlich war er es, der Königsmund aufbaute, damit es seine Verwandtschaft Jahrhunderte später wieder in Schutt und Asche legen kann. Er war es, der den Thronraum mit diesem wunderschönen Möbelstück ausstatte, auf dem auch wieder Jahrhunderte später der sitzen sollte, der die besten Geschichten erzählen kann. Er hatte nen coolen Drachen und ein paar komplizierte Beziehungen zu seinen Schwestern/Frauen (wir sind hier immernoch bei den Targaryen, Leute!). Er war ein geschickter Kriegsherr. Kurzum Aegon der Erste war ein richtig krasser Dude! Er ist der Dreh-und Angelpunkt, an dem sich unser kurzer Spaziergang durch dreihundert Jahre Targaryen-Familien-Geschichte immer wieder orientiert.

Und hier kommen wir schon zu einer Besonderheit von FIRE & BLOOD. Klar hätte George R.R. Martin uns einfach die Geschichte erzählen können, die 300 Jahre vor dem Start von Game of Thrones passiert ist, aber das passt nicht richtig zu George, oder? Ganz genau! Denn die Familiengeschichte der Targaryens wird uns hochoffiziell erzählt von Archmaester Gyldayn seinerzeit stationiert in der Zitadelle in Oldtown. Er hat sein Leben damit zu gebracht, die Aufzeichnungen und Notizen anderer Maester zu sammeln und diese Targaryen-Familien-Chronik zusammen zu stellen. George R.R. Martin ist lediglich der „Übersetzer“. 

Da schlägt mir das Herz als kleiner Historien-Nerd natürlich höher. Und ich weiß, das George auch einer ist. Es ist ein offenes Geheimnis, dass sich der gute George bei seiner Gestaltung von Game of Thrones des Öfteren große Inspiration in der englischen Geschichte geholt hat (War of the roses, anyone?). Die Erzählform in diesem Buch ist eine Besondere, an die man sich erst gewöhnen muss. Man fühlt sich so ein bisschen wie Samwell Tarly, der zum ersten Mal in der Bibliothek von Oldtown steht und endlich sämtliche Chroniken von Westeros und davor in die Hände bekommt. Wenn, wie in meinem Fall auch noch ein wenig Staub auf dem Buch liegt, weil man es ein wenig zu lange auf der Seite hat liegen lassen, kommt man sich wirklich wie ein Forscher vor. 

Zum Ersten, zum Zweiten uuuuuuund zum Dritten….

Jetzt fragt Ihr Euch aber wahrscheinlich immer noch, wieso ich fast zwei Jahre gebraucht hab, um das Buch komplett zu lesen. Ja, die Story ist wirklich toll, wobei ich im Nachhinein wirklich einige Kapitel hätte überspringen können, in denen einfach NICHTS passiert ist, noch nichtmal ein Drache ist geschlüpft und die schlüpfen wirklich reihenweise! Hinterher ist man ja immer schlauer. Das Hindernis, was mich aufgehalten hat, mag jetzt für den ein oder anderen popelig wirken, aber wartet mal, bis Ihr’s ausprobiert habt: Es heißen einfach ALLE GLEICH!!! Jetzt hab ich’s gesagt. Um dieses Buch in einem Stück zu lesen, braucht man das Durchhaltevermögen, wie damals zu Lost-Serien-Zeiten. Verpasste man da eine Folge, war man auch erstmal raus! Leg das Buch ein paar Wochen zur Seite und Du kannst im Prinzip von vorne anfangen. Die Targaryens haben gefühlt fünf Namen für Männer und fünf für Frauen. Wenn jemand Neues geboren wird, wird am Rad gedreht und je nachdem, wen man jetzt wie ne Ehre erweisen möchte, wird der Name ausgesucht. Und schnell fragt man sich: „Wars jetzt Viserys der Zweite oder der Dritte, der das Friedensabkommen mit den Dornischen auf den Weg brachte? Ach halt, das war doch Jaehaerys der Drölfte? Damn it! Fang ich halt wieder vorne bei Aegon dem Eroberer an.“

Ich hab sechs Mal von vorne angefangen! 

Zum Glück wird man aber für sein Durchhaltevermögen auch optisch belohnt! Der kanadische Comiczeichner Doug Wheatley hat die Aufzeichnungen von Archmaester Gyldayn mit wunderschönen Illustrationen versehen. Viele, die seine Arbeit aus verschiedenen Star Wars– und oder Marvel– Comics kennen, wird hier das Herz wirklich höher schlagen. Die Zeichnungen sind unwahrscheinlich detailgetreu und tragen wesentlich zum Eindruck mit bei, das man hier wirklich ein „Geschichtsbuch“ in der Hand hat. 

Und was macht eigentlich George R.R. Martin?

Nicht an Winds of Winter weiterschreiben, so viel ist schonmal klar. Das hat er letztens auf seinem Blog nochmal ganz deutlich gemacht. Der Mann ist aber auch schwer beschäftigt. Gerade hat er bei HBO einen Fünf-Jahres-Vertrag unterschrieben und ist jetzt erstmal mit Drehbuchschreiben beschäftigt. FIRE & BLOOD soll übrigens auch zur Serie werden. Ich bin ja mal gespannt, wie sie das Namensproblem dort lösen werden, das ich nicht sechs Mal mit einer Serie anfangen muss. Aber hey, gut Ding will Weile haben. Aegon der Erste hat Königsmund auch nicht in einem Tag erbaut. Wie lange er tatsächlich gebraucht hat, lest Ihr im Buch. Aber Spoiler-Warnung! Es waren nicht nur drei Tage! 😉