
Anime haben mich verzaubert: Was kleine Monster, magische Mädchen und lustige Piraten mir angetan haben…
Hach Anime…wo wäre ich heute wohl ohne dich? Eine Frage, die ich mir neulich erst wieder gestellt habe, als ich im TV-Programm über eine Folge Detektiv Conan gestolpert bin. Und auf einmal war ich wieder 12 Jahre alt. Ich habe nicht umgeschaltet, sondern mir meine Decke genommen, mich auf die Couch geknallt und gespannt verfolgt, wie der kleine Conan Edogawa einen absolut unrealistischen Mord aufklärt. (Ganz ehrlich: niemand würde auch nur ansatzweise auf die Idee kommen, so zu töten). Ich saß also vor dem Fernseher und habe ich mich wirklich gefragt: Was wäre, wenn ich niemals Anime geschaut hätte? Zeit also für eine Blick zurück…

Es ist der Anfang der 2000er, ich bin irgendwas um die 10 oder 11 Jahre alt und entdecke zum ersten Mal so richtig bewusst, was das Fernsehen zu bieten hat. Irgendwie bleibe ich bei RTL2 hängen – damals, als jeden Tag von 13 bis 18 Uhr nur Zeichentrickserien auf dem Sender liefen. (Ich sage ganz bewusst Zeichentrick, weil ich damals noch keine Ahnung hatte, was Anime eigentlich sind). Und was sich wirklich in meine Erinnerung gefressen hat, ist folgende Szene: Sieben Kinder stehen auf einem Berg und werden von einem seltsamen schwarzen Wesen angegriffen. Jedes dieser Kinder hat ein komisches Monster an seiner Seite – ein Kaktus, ein Dino, ein riesiges Walross, und ähnlich merkwürdige Viecher. Und plötzlich verwandelt sich ein kleiner orangener Ball in ein engelartiges Wesen, vermöbelt das Monster, rettet die Kinder und stirbt dann. Ich hatte keine Ahnung, was da los war. Ich kannte die Figuren nicht und doch…irgendwie war das mitreißend. Digimon war meine Einsteigerdroge in die Welt der Anime – und nicht nur für mich.
Was danach kam, lässt sich eigentlich kaum zusammenfassen. Jeden Nachmittag saß ich wie gebannt vor dem Fernseher, fasziniert von diesen seltsam lustigen und oft übertrieben dramatischen Abenteuern. Mein nächster Kick war damals Sailor Moon. Ich weiß, ich bin als Junge nicht unbedingt die Zielgruppe. Aber irgendwas hat diese Serie mit mir gemacht. Schulmädchen, die sich mit der Macht der Planeten in magische Kriegerinnen verwandeln und den Bösen eins auf die Mütze geben. Abgefahren! Ich glaube, da hat sich auch schon meine Vorliebe für starke weibliche Charaktere entwickelt. Die Liebesgeschichte bei Sailor Moon war wir vollkommen egal. Ich wollte sehen, wie die Mädels zusammen die Welt retten. Und mit Sailor Moon kamen dann auch nach und nach andere Magical Girl Serien: Jeanne, die Kamikazediebin, Wedding Peach, DoReMi – gib sie mir alle!

Im Laufe der Jahre kamen immer mehr Anime dazu, die ich aufgesaugt habe wie ein Staubsauger: Detektiv Conan, Yu-Gi-Oh, Beyblade, Dragon Ball…Ach Dragon Ball, du hast mir ein bisschen Hoffnung gegeben, dass auch meine Freunde in die Welt der Anime eintauchen. Auf Dragon Ball und Dragon Ball Z konnten sich alle einigen. Auf dem Schulhof haben wir über die letzte Folge gesprochen; als DBZ im Abendprogramm lief auch oft direkt danach telefoniert. Wie krass war das, als Son-Goku sich gegen Freezer zum ersten Mal in einen Super-Sayajin verwandelt hat? (Auch wenn das aus heutiger Sicht gefühlte 100 Episoden gedauert hat…) Aber als DBZ irgendwann nicht mehr relevant war für viele meiner Freunde, war ich wieder alleine mit meiner Liebe für Anime.
Viele der Serien, die ich hier erwähnt habe, schaue ich heute nicht mehr. Ich hab’s mal versucht. Als Erwachsener kann aber selbst die Nostalgiebrille nicht mehr darüber hinwegtäuschen, dass die meisten der damaligen Anime eigentlich sehr eintönig sind. Eine Folge war gleichzeitig auch immer eine abgeschlossene Handlung. Die Digi-Ritter besiegen ein böses Digimon, Detektiv Conan löst einen Fall, Sailor Moon macht einen Schurken fertig…Ich liebe diese Serien bis heute. Aber nach heutigen Maßstäben würden diese Serien wohl kaum noch funktionieren. Es gibt aber eine Ausnahme: One Piece!

Was war das damals für ein Riesending, als auf RTL2 die Werbung für One Piece lief. Eine Piratenbande, die auf hoher See Abenteuer erlebt – das gab’s vorher so nicht. Monkey D. Ruffy ist mit seiner Crew inzwischen seit über 900 Folgen unterwegs. Die Serie ist noch immer nicht vorbei. Und von Anfang an ging es bei der Serie um große Handlungsbögen – bis heute werden Stränge aus den ersten Folgen aufgegriffen und weitergeführt. Klar, wie bei Dragon Ball werden die Gegner immer größer, stärker, unglaublicher. Aber One Piece schafft es dabei Charaktere zu erschaffen, mit denen man einfach mitfiebert, die man ins Herz schließt, die im Laufe der Zeit zu Freunden geworden sind. Wer hat nicht Gänsehaut bekommen, als Ruffy Nami seinen Hut gegeben hat? Als Chopper seinen Kirschblütentraum sehen durfte? Robin gefleht hat, leben zu dürfen? Ich könnte ewig so weiter machen.
Die Anime-Nachmittage vor dem Fernseher haben sicher einen großen Teil dazu beigetragen, dass ich heute so bin, wie ich bin. Ich habe starke Frauen zum ersten Mal im Anime gesehen, habe viel über Freundschaft gelernt und auch, dass man nicht perfekt sein muss, um im Leben klarzukommen. Im Laufe der Zeit sind natürlich noch viele andere tolle Anime dazu gekommen. Zu viele, um sie hier noch zu besprechen. Um also auf die Einstiegsfrage zurückzukommen: Wo wäre ich heute wohl ohne Anime? Die Frage ist glaube ich falsch. Sie müsste lauten: Wer wäre ich heute ohne Anime? Und meine Antwort darauf: ein langweiligerer Mensch! Denn durch Anime bin ich zu Manga, zu Comics, usw. gekommen. Also: Danke dafür!
